Erzähltipps für das Vortragen mit einem Kamishibai

Catherine von Hoppipolla mit Schild "meine 10 Tipps zum besseren Erzählen"

 

 

 

 

 

 

Catherine Akintschin

Kamishibai-Autorin, Kamishibai-Erzählerin, Künstlerin und Illustratorin von hoppipolla.

Angst vor dem Erzählen? Kenne ich! Als ich angefangen habe, für meine Kinder, Nichten und Neffen, Kamishibais zu schreiben und sie an Ostern und Weihnachten der Familie vorzutragen, war ich ganz schön nervös! Ich habe ohne Erfahrung, ohne vorherige Erzähl-Kurse und ohne eine Studie darüber zu machen, einfach ausprobiert!

Mein Fazit? Klappt! So blauäugig sollten wir generell viel mehr Dinge angehen: Sich einfach mal was trauen! Und mal ehrlich – was soll passieren? Dass euer kleines, feines Publikum euch ausbuht? Sicher nicht, wir sind ja in Real Life, nicht in Social Media. Kinder lieben Geschichten – und damit auch das Kamishibai. Versprochen!

Und für alle, die doch vorher ein paar Erzähltipps für das Vortragen mit einem Kamishibai brauchen, habe ich hier meine Top-10 Erkenntnisse aus den Erfahrungen der letzten Jahre für euch zusammengetragen:

Tipp 1: Nimm dir Zeit, die Geschichte kennenzulernen

Das ist wirklich ein entscheidender Tipp, der mich manchmal auch ins Rudern gebracht hat, wenn ich ihn nicht befolgt habe: Setzt euch mit eurer Kamishibai-Geschichte auseinander. Lest sie durch, bekommt ein Gefühl für passende Interaktionen und Fragen. Wer die Geschichte kennt, schafft es auch, Abschnitte frei zu erzählen. Damit kommt ihr authentischer rüber, ihr baut eine stabilere Verbindung zum Publikum auf und es haben alle mehr Spaß als beim sturen Ablesen.

Zweiter wichtiger Vorteil, wenn ihr die Geschichte kennt: Es ist kein Problem, wenn eine Erzählrunde mal ausufert, denn ihr wisst, wo ihr nach den Erzählungen in der Geschichte weitermachen müsst. Seid euch sicher: Euer Publikum wird euch ablenken! Sie werden erzählen, lachen, mitfiebern, dazwischen rufen und dich unterbrechen. Das ist absolut gewollt und macht die Kamishibai-Erzählweise so toll und lebendig, wie sie eben ist. Wenn ihr den Verlauf der Geschichte gut kennt, findet ihr auch schnell wieder hinein.

Natürlich hilft dabei auch eine übersichtliche Gliederung des Textes – auch da hab ich dazu gelernt. Angefangen habe ich mit einem handgeschriebenen Schmierzettel – heute sind es mit Icons übersichtlich gegliederte und bebilderte Abschnitte. Besondere Stellen der Interaktion und Rätsel meiner Geschichten oder Tipps für den Erzähler sind übersichtlich markiert. So findet man sich auf einen Blick zurecht – und kommt schnell wieder in die Geschichte rein.

Übersichtlich gegliederter Kamishibai-Text von hoppipolla mit Interaktions-Hinweisen

Eine übersichtliche Gestaltung der Geschichte hilft bei der Orientierung.

Tipp2: Kümmere dich rechtzeitig um den Theaterrahmen

Du brauchst eine ansprechende Präsentation deiner Kamishibai Bildkarten. Es gibt sehr schöne, fertige Kamishibai-Holzrahmen, sie sind allerdings nicht ganz günstig. Wenn du gerade anfängst und das Kamishibai erst einmal ausprobieren willst, geht auch eine kleine Staffelei, ein Bücherständer, ein Bilderrahmen oder eine Bilderleiste. Probiere aus, mit was du gut klar kommst, damit das Umblättern während der Vorführung gut klappt.

Tipp 3: Nutze einen kleinen Tisch als Erhöhung

Deinen Theaterrahmen stellst du am besten auf einen kleinen Tisch, etwas erhöht zum Publikum, damit alle ihn gut sehen können. Ich nehme immer unseren Weihnachtsbaumtisch, aber auch Kindertische haben eine super Höhe. Alternativ geht natürlich auch ein Hocker. Auf den Tisch lege ich ein einfarbiges, dunkles Tuch, damit es unterhalb des Theaters keine Ablenkung gibt. Das hat dann auch wieder mehr etwas von einer richtigen Bühne.

Tipp 4: Vergiss das Licht nicht

Kümmere dich um einen Scheinwerfer für deine Bühne! Ja, ein Spotlicht hat ja nicht jeder direkt zuhause rumliegen. Es macht aber wirklich einen großen Unterschied, wenn die Kamishibaibilder wie im Scheinwerferlicht einer Theaterbühne strahlen. Notfalls nimmst du einfach eine Taschenlampe mit und bittest ein Kind darum, dein Lichtbeauftragter zu sein und sie zu halten. Super Nebeneffekt dabei: Das Kind ist stolz wie Bolle :D

Tipp 5: Sorge für eine entspannte Sitzordnung

Lege so viele Kissen auf den Boden, wie du kleine Gäste hast. Bei mir hat es sich bewährt, dass die Kinder direkt vor dem Kamishibai im Halbkreis sitzen, die zweite Halbkreisreihe etwas versetzt. Die Erwachsen sitzen weiter hinten auf Stühlen. Achte darauf, dass jedes Kissen eine gute Sicht auf dein Kamishibai hat.

Tipp 6: Kleide dich richtig

Auch das noch? Ja... das kannst du natürlich weg lassen. Aber es hat schon einen Effekt, was der Erzähler hinter dem Kamishibai trägt. Gemusterte, helle Oberteile sind ungeeignet, weil es den Blick zu sehr vom Kamishibai-Bild ablenkt. Je dunkler und schlichter, desto eher kann der Blick auf dem Bild des Kamishibais ruhen. Weil mir das so wahrscheinlich niemand glaubt, habe ich ein Vergleichsbild für euch – na, seht ihrs? Das Auge geht im ersten Bild wild umher, im zweiten Bild landet es viel schneller beim Kamishibai.

Catherine von hoppiolla in einem hellen, gemusterten Oberteil hinter dem Kamishibai als schlechtes Beispiel
Catherine von hoppipolla in einem dunklen Oberteil hinter dem Kamishibai als gutes, nicht ablenkendes Beispiel

Das helles Oberteil lenkt den Fokus auf den Oberkörper des Erzählers, beim dunklen Oberteil fällt der Blick sehr schnell auf die Bilder des Kamishibais.

Tipp 7: Stimme deine Zuhörer auf die Geschichte ein

Ein schönes Einleitungsritual lässt die Kinder wissen, dass die Geschichte jetzt los geht. Wer kein Kamishibai mit Holztüren zum Öffnen hat, kann diesen Effekt ganz einfach mit einem Tuch als Vorhang erzeugen. Oder ihr nutzt die Vorhang-Bildkarte, die bei vielen Kamishibai-Geschichten als erste Bildkarte schon mit dabei ist. Sucht euch ein Ritual aus, was ihr schön findet und was gut zu euch passt. Ihr sagt es auf und öffnet die Türen oder den Vorhang, sodass die erste Bildkarte sichtbar wird. Das Theater beginnt!

Ich habe eine faule Variante gewählt, bei mir darf zu Beginn und zum Abschluss der Geschichte immer ein Kind ein Glöckchen klingeln. Dann geht der Vorhang/die Türen des Kamishibai-Rahmens auf bzw. zu. Und dazu sagen wir zusammen. "Und das Kamishibai geht auf/zu!"

Natürlich gibt es auch wundervolle schöne, längere Verse, die auf die Geschichte einstimmen. Diese kann man im Internet finden oder ihr nutzt meine spontan gedichtete Versidee:

Zum Eröffnen:

Das Abenteuer beginnt, seid mit dabei -

es öffnet sich das Kamishibai!

Und zum Abschluss:

Nun ist das Abenteuer schon vorbei,

jetzt schließt sich das Kamishibai!

Tipp 8: Erzeuge Spannung mit deiner Stimme

Nichts ist langweiliger als ein monotoner Singsang. Deshalb: Spielt mit eurer Stimme. Wenn es spannend wird, flüstert. Wenn jemand in der Geschichte um Hilfe ruft, schreit! Habt eine wütende Stimme, eine säuselnde, eine zischende oder eine lachende. Macht die passende Mimik dazu. Fühlt mit, erlebt mit. Wenn ihr die Geschichte gut kennt, passiert das meist auch schon von alleine. Das klingt für euch albern? Vielleicht – aber euer Mut wird belohnt. Euer Publikum wird es mit Spannung verfolgen und euch belohnen mit strahlende Augen und ungeteilter Aufmerksamkeit.

Tipp 9: Führe Erzählrunden ganz easy zur Geschichte zurück

Ein Bild kommt ins Spiel und dein Publikum hat so richtig viel zu erzählen? Jeder möchte aus seinen eigenen Erfahrungen berichten? Jeder will Vermutungen anstellen, wie es weitergeht? Das ist toll! Zu lange sollten diese Erzähl-Ausflüge dennoch nicht gehen, damit die Kinder bis zum Schluss aufmerksam bleiben können. Deshalb gibt es einen Tipp, wie du diese Interaktionen ganz rasch wieder zur Geschichte zurück bringst: "Wollen wir mal schauen, wie die Helden der Geschichte das finden?" oder "Wollen wir mal nachschauen, für was sich die Helden unserer Geschichte entscheiden?" Zack – ist die Aufmerksamkeit deines Publikums wieder ganz gespannt bei deinem Kamishibai.

Tipp 10: Bleibe locker bei Unruhe und Störungen

Aus eigener Erfahrung beim Erzählen in kleinen Runden kann ich sagen: Unruhe während des Kamishibais gibt es zwar, ist aber tatsächlich eher selten. Wer schonmal in einem Kasperletheater gesessen hat, wird das kennen. Die allermeisten Kinder sind gespannt bis zum Schluss. Einige - vielleicht weil sie zu jung sind und der Geschichte nicht folgen können, oder weil sie gerade ein anderes Bedürfnis haben - fangen an, herumzuturnen oder Lärm zu machen. Was du dagegen tun kannst? Allen voran der ultimative Tipp: Nimm es nicht persönlich. Und lass sie einfach. Konzentriere dich auf die Kinder, die deiner Geschichte noch folgen. Lass dein aufmerksames Publikum zum Beispiel etwas mehr oder länger erzählen, damit sie ins Tun kommen und so die Störung nicht so viel Aufmerksamkeit bekommt. Dann beruhigt sich das meistens von ganz alleine.

Was vorbeugend ein guter Tipp ist: Achte auf die Altersangaben der Kamishibaigeschichten und halte dich daran, vor allem an die Untergrenze. Nach oben kann es auch schnell langweilig werden, aber nach oben sind die Kinder meist schon geduldiger. Wenn dein Publikum eine große Alterspanne hat, dann stelle Fragen auch ganz gezielt an jede Altersgruppe. An die jüngeren Zuschauer eine einfache Frage, an die Älteren etwas kompliziertere. Ermuntere die Kleinen in der Gruppe, auch etwas zu erzählen – denn meistens trauen sie sich in Anwesenheit von den Großen nicht und langweilen sich dann. So nimmst du alle mit und verhinderst Störungen.

Fazit: Störungen gibt es, sind aber selten. Mach einfach weiter – für alle anderen Kinder der Gruppe wird das trotzdem ein unvergessliches Erlebnis!

Bonustipp: Hab Spaß!

Sei nicht kleinlich, sei nicht perfekt. Hab einfach viel Spaß beim Erzählen und gemeinsamen Erleben von Kamishibai-Geschichten! Ich verspreche dir: All deine Mühe wird belohnt, wenn du die strahlenden Kinderaugen vor dir siehst! Das ist unvergesslich.

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